Katrin: Habt ihr schon gemerkt, wie Hans immer so offen redet? Total ehrlich, ohne Filter.
Markus: Ja, stimmt. Manchmal denke ich: Der hat sicher nicht so viele enge Freunde außerhalb der Arbeit. Deswegen sucht er hier so viel Nähe. Und außerdem: Er macht ständig Witze, immer zu lustig. Manchmal wirkt das, als säßen wir hier im Freundeskreis, nicht im Büro.
Sabine: Ach Quatsch, Markus. Ich finde ihn eher sonnig. Weißt du, es gibt Leute, die können einfach nicht unecht sein. Der ist so einer.
Katrin: Genau! Wenn er redet, dann spürt man, dass er das wirklich meint. Keine Maske, kein Büro-Theater.
Markus: Hm… Aber manchmal wirkt das zu viel. Wir sind doch auf Arbeit, nicht in der Kumpelrunde.
Sabine: Lieber so als diese falschen Lächeln von manchen hier, oder? Ich mag es, wenn jemand klar und echt ist. Und wenn er keine Lust hat zu reden, bleibt er still. Das ist fair.
Katrin: Ja, und außerdem: Er kann auch Stimmung machen, fast wie ein Entertainer. Aber ohne sich aufzudrängen.
Markus: Vielleicht habt ihr recht. Ich muss mich nur daran gewöhnen. Er ist eben kein „typischer Kollege“.
(Tür geht auf, Thomas und Anna kommen rein.)
Thomas: Von wem redet ihr da? Ach, von Hans? Na ja, der tut so, als wäre er unser bester Freund. Das nervt mich manchmal. Ganz ehrlich, wir sind hier doch nicht beim Team-Building-Event, sondern bei der Arbeit.
Anna: Genau. Arbeit ist kein Lagerfeuer. Arbeit ist Arbeit. Zu viel Ehrlichkeit wirkt einfach… unprofessionell. Wir müssen performance-driven bleiben, unsere KPIs und targets im Blick haben. Sonst leidet der ganze workflow.
Sabine: Aber bitte! Lieber ehrlich als diese künstlichen „Wie geht’s dir? – Super, danke!“-Nummern, die keiner ernst meint.
Thomas: Schon, aber Hans ist wie ein Labrador: immer freundlich, immer schwanzwedelnd. Das wirkt irgendwann einfach nicht mehr credible.
Katrin: Das ist unfair, Thomas. Er ist nicht „schwanzwedelnd“. Er ist einfach offen.
Anna: Offen oder naiv? In dieser Firma überlebt man nicht mit zu viel Offenheit. Man muss auch professional distance halten. Networking heißt nicht, dass du jedem deine ehrliche Seite zeigst. Das ist einfach not sustainable. Am Ende gefährdet man so seine deliverables.
Markus: Hm… vielleicht habt ihr beide einen Punkt. Aber mir fällt auf: Wenn Hans redet, höre ich wenigstens zu. Bei den meisten Kollegen schalte ich sofort ab.
Sabine: Genau! Er zieht Aufmerksamkeit, weil er echt ist. Das ist selten.
Thomas: Oder weil er einfach auffallen will. Manche Leute sind eben geborene Schauspieler. Das gehört für manche wohl zum personal branding.
Katrin (gereizt): Schauspieler? Nein, gerade nicht! Er ist das Gegenteil von Schauspiel.
Anna (kalt): Wir werden sehen. Früher oder später merkt man, ob jemand ins System passt oder nicht. Und wenn nicht, dann ist es ein fail.
Sabine (lehnt sich zurück): Tja, vielleicht ist genau das das Problem: das „System“. Und Hans ist einer, der wenigstens Mensch bleibt.
Markus (seufzt, drückt Zigarette aus): Leute, ganz ehrlich: Wir diskutieren hier, ob jemand zu ehrlich ist. Ist das nicht schon ein bisschen absurd?
Katrin (lächelt): Stimmt. Vielleicht zeigt uns Hans nur, dass wir selbst manchmal ehrlicher sein könnten.
(Kurze Stille. Thomas zuckt mit den Schultern, Anna verdreht die Augen. Alle gehen zurück ins Büro.)
(Die Tür geht wieder auf. Hans tritt herein, holt sich eine Zigarette. Die Kollegen verstummen kurz.)
Hans (schmunzelt): Oh, ich störe wohl mitten in einer großen Debatte?
Thomas (halb ironisch): Wir haben nur über dich gesprochen. Keine Sorge, nur nette Sachen… meistens.
Hans (zündet Zigarette an, ruhig): Passt schon. Hört mal, ich sag’s einfach: Für mich gibt’s nur zwei Möglichkeiten. Entweder wir reden ehrlich, oder wir reden gar nicht. Beides ist gut.
Sabine (nickt): Genau das habe ich gesagt!
Hans: Wenn ich mit Leuten rede, dann richtig. Ohne Masken, ohne Spielchen. Das heißt nicht, dass jeder mein bester Freund ist. Aber was gesagt wird, soll auch gemeint sein.
Katrin: Das klingt… sehr klar.
Anna (skeptisch): Aber manchmal braucht man Distanz. Nicht jeder Kollege muss deine ehrliche Seite kennen. Das ist einfach nicht professional.
Hans (zieht langsam, einfach): Distanz geht auch ohne Lügen. Stille ist auch Respekt.
(Kurze Pause. Die Worte hängen im Raum. Thomas schaut verlegen auf den Boden, Anna zieht die Stirn kraus, Sabine und Katrin lächeln leicht.)
Markus (leise): Na ja… so gesehen macht das Sinn.
Hans (nickt, grinst warm): Also, keine Sorge. Wenn ich zu viel rede, merkt ihr’s. Dann halt ich den Mund. Aber wenn ich rede, dann echt. Anders kann ich nicht.
(Die Spannung löst sich, ein paar lachen. Die Kollegen werfen die Zigaretten weg, alle gehen zurück ins Büro. Szene Ende.)
Epilog
Anna
Zurück am Schreibtisch tippe ich Zahlen in eine Tabelle. Alles wie immer. Aber die Worte von Hans hängen mir im Kopf. „Stille ist auch Respekt.“ Hm.
Ich halte mich gern an Regeln: professionell bleiben, Distanz wahren, Gefühle rauslassen. So habe ich gelernt, im Job zu überleben. Aber vielleicht… vielleicht ist das auch nur eine andere Maske. Und Masken sind schwer, wenn man sie jahrelang trägt.
Hans ist mir immer ein bisschen verdächtig gewesen: zu freundlich, zu direkt. Fast naiv. Doch heute in der Kurilke wirkte er nicht naiv, sondern einfach… frei. Frei, zu sagen: Ich rede ehrlich oder gar nicht. Und er meinte es ernst. Das war nicht gespielt.
Vielleicht beneide ich ihn sogar. Ich habe vergessen, wie es ist, so zu reden. Ohne Rechnen, ohne Kalkül. Nur echt. Ob man das wieder lernen kann?
(Sie seufzt leise, schaut kurz zur Seite, wo Hans im Büro sitzt und konzentriert tippt. Dann richtet sie den Blick wieder auf den Bildschirm und macht weiter, aber der Gedanke bleibt.)
Thomas
Ich verlasse die Küche, die Zigarette schmeckt noch bitter im Mund. Dieser Hans… redet, als wäre das Leben ein offenes Buch. Ehrlich oder gar nicht. Schön gesagt. Fast zu schön.
Vielleicht bin ich nur zynisch geworden. Zu viele Jahre hier, zu viele Versprechungen, die nie gehalten wurden. Ich hab gelernt: Wer immer ehrlich sein will, fliegt früher oder später auf die Schnauze. Aber trotzdem… er hat heute die ganze Runde ruhiggestellt. Sogar mich. Respekt muss man ihm lassen.
Und doch: Mal sehen, wie lange er durchhält. Dieses System frisst Idealisten. Oder? …Vielleicht irre ich mich diesmal.
Katrin
Zurück am Platz muss ich immer noch lächeln. Wie er das gesagt hat: „Stille ist auch Respekt.“ So einfach, so klar. Ich mag Menschen, die sich trauen, echt zu sein. Vor allem hier, wo so viele nur Rollen spielen.
Bei Hans fühlt es sich an wie frische Luft. Er bringt Wärme, ohne aufdringlich zu sein. Kein Schauspiel, kein Kalkül. Ich hoffe, er bleibt so. Vielleicht steckt er uns alle ein bisschen an — mit seiner Ehrlichkeit.
Ich merke, wie ich innerlich leichter werde, wenn ich daran denke. So einen Kollegen braucht man. So einen Freund vielleicht auch.
…Und dann ertappe ich mich bei einem Gedanken, fast wie ein kleiner Film im Kopf: Wir zwei nach Feierabend, irgendwo draußen, vielleicht wirklich am Lagerfeuer, er erzählt Witze und Geschichten, ich lache. Einfach so, ohne Maske, ohne Büro. Ich schüttle den Kopf über mich selbst, grinse leise und tippe weiter. Aber das Bild bleibt warm in mir.
Sabine
Ich lehne mich im Stuhl zurück. Hans tut gut. Seine Offenheit ist wie ein kleines Gegengewicht zu all dem kalten Büroalltag. Vielleicht braucht es genau solche Leute, damit man nicht vergisst, dass wir hier Menschen sind.
Markus
Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich von Hans halten soll. Zu viel Humor, zu viel Offenheit – das irritiert mich. Aber wenn er redet, höre ich wenigstens hin.
Vielleicht ist es das, was mir fehlt.